Dass die Industrie mit dem Kopierschutz (oder besser dem Versuch des Kopierschutzes) auf CD's vor allem die redliche Kundschaft bestraft, die gar keine illegalen Kopien anfertigen will, ist ja ein alter Hut. Diejenigen, die Kopien anfertigen wollen und sich wenigstens ein bißchen mit dem PC auskennen, werden auch in Zukunft keine Probleme haben. Man braucht übrigens gar nicht erst auf irgendeine crackende Software zurückzugreifen. Es gibt für Windows 98 eine .dll, die es erlaubt, ohne ein sogenanntes Ripping-Programm die Audiotracks direkt auf Festplatte zu kopieren.

Ich verstehe sowieso nicht, wieso sich die Industrie nun an diesen Kopierschutzmaßnahmen so festbeißt. Es ist nicht nur überflüssig und zwecklos, sondern auch dumm, denn es beschädigt das Image nachhaltig. Die tun so, als sei mit der Einführung der CD-R das Kopieren von Tonträgern erst erfunden worden. Dabei wurden auch früher schon Schallplatten und CD's auf Kassette aufgenommen und weitergereicht. Das ist ein alter Hut.
Den Grund für den Rückgang der CD-Käufe nun im illegalen Kopieren zu suchen, ist daher hirnlos und kurzsichtig. Die wahren Gründe sind kein Geheimnis: Es wurde zu lange nur auf das schnelle Geld gesetzt, es wurden One-Hit-Wonder produziert, anstatt Künstler nachhaltig aufzubauen. Und mit diesen One-Hit-Wondern wurden dann Musiksampler á la "Bravo Hits" auf den Markt geschmissen.
Die Musik wurde immer schrottiger, bis den Leuten die DM 30,-- und mehr für ein Stück Plastik mit schlechter Musik drauf einfach zu teuer wurden. Heute lässt sich eine CD um ein vielfaches billiger herstellen, als es bei der Schallplatte jemals der Fall war. Schallplatten kosteten jedoch selten mehr als DM 20,--. Die beste Maßnahme zur Ankurbelung der CD-Verkäufe wäre darum eine Preissenkung. Mit diesem Kopierschutzgedöns, das ja auch Geld kostet, das die Verbraucher letztendlich bezahlen müssen, kommt man jedenfalls nicht weiter. Von der rechtlichen Bedenklichkeit mal ganz abgesehen (ist ja nur eine Frage der Zeit, bis die Musikindustrie die ersten Musterprozesse verliert).
In den USA hat man das bereits gemerkt (die raffen ja so was immer schneller), dort setzt gerade ein Preiskampf ein, nagelneue CD's werden größtenteils bereits für $ 9,95 verkauft. Eine Preissenkung ließe sich beispielsweise prima dadurch auffangen, dass man nicht mehr mindestens eine Million für ein schlechtes Musikvideo ausgibt und auch mal das Promotionsystem reformiert. Ich bin sicher, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und keiner wird dadurch ärmer.

Ein weiterer, von der Musikindustrie gerne angegebener Grund für die Umsatzeinbrüche, ist angeblich der Austausch von mp3's über das Internet. Auch das ließe sich jedoch durch eine Preissenkung eindämmen. Letztendlich erfreut sich nämlich jeder Konsument am Besitz des Originals und eine Kopie ist zwar die billigere aber auch weniger zufrieden stellende Alternative. Abgesehen davon sind auch mp3's nicht umsonst. Man muss sie downloaden (das kostet Telefongebühren) und brennen (das kostet mindestens einen Rohling). Möchte man sich auch noch ein schickes Cover dazu drucken, kostet das Ganze fast schon so viel wie eine richtige CD...
Fazit: Der wahre Grund des Rückgangs der CD-Umsätze ist das, was man bei Autoherstellern eine verfehlte Modellpolitik nennen würde. Ein internes Ausmisten und Reformieren täte der Musikindustrie sicher nicht schlecht. Hinzu kommt noch, dass die jungen Leute von heute auch viel Geld für andere Sachen ausgeben, die es früher noch nicht gab. Waren früher Klamotten und Jugendmagazine die einzige Konkurrenz zur Schallplatte oder CD, wenn es um die Aufteilung des Taschengeldes ging, so sind es heute dazu noch das Handy, der Gameboy, die Playstation und auch der PC. Wenn sich mehr Produkte dieselbe Menge Geldes teilen müssen, fällt nun mal für die einzelnen Produktsparten weniger ab.

Ich bin sicher, dass diese Fakten auch der Musikindustrie bekannt sind und kann mir daher diese Kopierschutzmanie nur als verzweifelte Panikreaktion erklären, weil man sich anders nicht mehr zu helfen weiß oder nicht den Mut zu wirklichen Umstrukturierungen und Reformen aufbringt. Bringen wird der Kopierschutz nichts, es wird die Musikindustrie nur noch mehr Geld kosten und die Konsumenten wird es vergrätzen. Und selbst für diejenigen, die vom digitalen Kopieren keine Ahnung haben, ist das Ganze kein Hindernis: Es findet sich in jedem Freundes- oder Kollegenkreis mindestens einer, der gerne für Bekannte, Freunde und Kollegen zum Selbstkostenpreis Kopien herstellt...

Ich wünsche der Musikindustrie, dass sie in die Realität zurück findet und aufhört, gegen Windmühlen zu kämpfen. Den Kampf gegen das Kopieren hat sie bereits verloren. Wäre schön, wenn sie das mal rafft. Das erinnert mich irgendwie an den schwarzen Ritter aus Monty Python's "Die Ritter der Kokosnuss", der auch nicht einsehen will, dass er verloren hat... Einsicht ist aber nun mal notwendig, wenn man aus einer Krise kommen will.

Es gibt ja auch noch andere Kämpfe zu bestehen, die sich wahrscheinlich mehr lohnen würden: Es gibt Länder, in denen besteht der Musikmarkt zu 99 % aus Raubkopien und Bootlegs. Um die Wahrnehmung ihrer Interessen in diesen Ländern (Russland gehört z.B. dazu) sollte die Musikindustrie sich mal kümmern, anstatt die ehrlichen Kunden in den westlichen Ländern zu vergraulen.

Frank

Meinung zum Thema 'Kopierschutz bei Musik-CD´s
von Frank Wäterling (Dezember 2001)
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