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MIKROFONE
Eine kurze Einführung

Eines vorweg : Dieser Aufsatz kann und will nur einen groben Überblick über das Thema geben und ersetzt deshalb kein vertiefendes Studium mit Hilfe von Fachliteratur und Praxiserfahrung. Wir werden die prinzipiellen Unterscheidungsmerkmale von Mikrofonen kennenlernen und uns um die praktischen Einsatzkriterien bei stereofonen Aufnahmen kümmern.
Und schon geht es los. Die Überschrift des ersten Kapitels lautet:

Die beiden wichtigsten Arbeitsprinzipien von Mikrofonen

1.) Der Druckempfänger
Ein Volumen wird durch eine Membrane abgeschlossen und reagiert dadurch auf Luftdruckänderungen vor der Membrane. Man kann sich das wie einen geschlossenen Lautsprecher vorstellen. Das sich keine Vorspannung durch den Luftdruck ergibt ist eine (oder mehrere) Kapillare im Gehäuse angebracht, die für einen stetigen Druckausgleich sorgen. Gegenüber den Druckschwankungen einer Schallwelle ist das Volumen aber dicht abgeschlossen. Dadurch bewegt sich die Membrane durch den Schalldruck der vor dieser herrscht. Aus welcher Richtung die Schallwelle kommt ist dabei fast egal. Nur zu höheren Frequenzen ergibt sich eine kleine Richtwirkung, wie im nebenstehenden Diagramm angegeben.
Druckempfänger sind also reine Kugelmikrofone. Da der Frequenzgang im Diffusfeld einen Höhenverlust aufweist richtet man auch Kugelmikrofone in der Regel auf die Schallquelle aus. Man bekommt mit steigenden Abstand von der Schallquelle ein dunkleres Klangbild.
2.) Der Druckgradientenempfänger
Der Druckgradient ist die Schalldruckdifferenz zwischen zwei eng beieinanderliegenden Schalleintrittsöffnungen eines Mikrofons. Das typische Druckgradientenmikro ist das Achtermikrofon. Die Menbran wird von beiden Seiten in gleicher Weise vom Schall erreicht. Das Equivalent in der Lautsprechertechnik ist der Dipolstrahler z.B. ein elektrostatischer Lautsprecher. Trifft der Schall von vorne oder hinten senkrecht auf die Membrane so enstehen ausgeprägte "Hoch- und Tiefdruckgebiete" vor und hinter der Kapsel, welche die Membrane stark auslenkt. Trifft die Schallwelle dagegen im 90-Grad Winkel auf die Membrane so ist der Schalldruck an der Vorderseite und an der Rückseite der Membrane gleich groß und es findet keine Auslenkung statt. Druckgadientenempfänger besitzen eine relativ schwache Tieftonempfindlichkeit, da die Wellenlänge sehr groß ist im Vergleich zur Größe der Kapsel. Deshalb ist auch der Druckunterschied zwischen Vorder- und Rückseite gering.
Der Diffusschall wird in der Regel leiser aufgenommen als der Direktschall jedoch ist der Frequenzgang von Direkt- und Diffusfeld gleich. So besitzen Druckgradientenempfänger eine "natürliche" Rückkopplungsdämpfung. Es muss aber weiter entfernt von der Schallquelle aufgestellt werden wenn man die gleiche Hallbalance wie bei der Kugel haben möchte. Aus der Überlagerung von Kugel und Acht ensteht übrigens die weitverbreitete Nierencharakteristik mit besonders geringen Diffusfeld und starker Rückkopplungsdämpfung.

Nachdem wir uns um die Arbeitsprinzipien gekümmert haben, wollen wir wir jetzt ein Mikro bauen. Kapitel zwei:

Die drei wichtigsten Konstruktionsprinzipien von Mikrofonen

1.) Das dynamische Tauchspulen-Mikrofon
Dynamische Mikrofone sind weitverbreitet, da sie relativ einfach aufzubauen sind und günstig produziert werden können. Der bekannteste Vertreter ist ohne Zweifel das Shure SM-58. Die allermeisten Bühnenmikrofone und praktisch alle Mikrofone für Disco und DJ arbeiten nach dem dynamischen Prinzip. Dabei wird eine Spule (Schwingspule) von den Schallwellen über eine Membrane angetrieben. Diese Spule bewegt sich dabei zwischen den Polen eines Magnetfeldes, welches eine der Spulenbewegung propotionale Spannung in die Spule induziert. Dynamisch Mikrofone können sowohl als Druckempfänger oder als Druckgradientenempfänger ausgeführt sein. Die Ähnlichkeit mit Hochton-Lautsprecherchassis kommt nicht von ungefähr. Das Prinzip ist genau gleich und tatzächlich könnte ein dynamisches Mikro auch Schall wiedergeben!
2.) Das Kondensator-Mikrofon
Kondensatormikrofone gelten als die besten überhaupt. Alle großen hochqualitativen Studiomikrofone sind Kondensatormikrofone. Das Prinzip ist einfach, denoch kosten solch Mikrofone, wegen der notwendigen hohen Prazision und der Verwendung besonderer Materialen, ein vielfaches der dynamischen Modelle. Eine wenige tausendstel Millimeter starke Kunststoff oder Metallmenbran bewegt sich in geringem Abstand von wenigen tausendstel Millimeter zu einer festen Metallplatte. Diese bilden zusammen die Platten eines Kondensators. Durch Schalleinwirkung ändert sich der Abstand der beiden Elektroden. Das ergibt eine der Schallwelle propotionale Kapazitätsänderung.
Um jetzt eine der Kapazitätsänderung propotionale Spannung zu erhalten, benötigt man an den Elektroden eine Polarisationsspannung. Diese wird heute entweder durch eine sogenannte Phantomspeisung von 48V von außen an die Kapsel gebracht. Die zweite Möglichkeit ist das sogenannte Elektretmikrofon. Dabei ist die Polarisationsspannung als feste elektrostatische Ladung auf den Elektroden. Solche Kondensatormikrofone sind meist etwas günstiger aber trotzdem sehr gut. Die von den Kondensatorkapseln abgegebene Spannung ist meist viel höher als die von dynamischen Mikros und besitzen auch immer eine Verstärkerschaltung im Griff, welche hauptsächlich als Impedanzwandler arbeitet und den hohen Widerstand der Kapsel an den geringeren des Mikroeinganges anpasst. Dafür benötigen dann auch Elektretmikrofone eine geringe Versorgungsspannung, die dann oft mit Batterien erzeugt wird.

Im ersten Kapitel haben wir bereits zwei Richtcharakteristika kennengelernt: Die Kugel und die Acht. Die wichtigste aber ist die Niere und die wollen wir jetzt einmal genauer kennenlernen.

3.) Richtcharakteristik Niere

Ein Mikrofon mit nierenformiger Richtcharakteristik besitzt in Achsrichtung (0 Grad) volle Empfindlichkeit, bei seitlicher Beschallung sinkt die Empfindlichkeit auf die hälfte und bei rückwärtigen Schalleinfall auf etwa ein Zehntel.
Das entstehen der nierenförmigen Richtcharakteristik kann man sich aus nebenstehender Grafik als Überlagerung aus Kugel und Acht vorstellen.
Durch den bei der Acht entstehenden "negativen" Schalldruck findet eine Auslöschung in 180 Grad statt, da die Kugel von überallher nur "positiven" Schalldruck empfängt. Da sich Plus und Minus aufheben kommt es zur Niere.
Nachfolgend ein Schnitt durch eine Nieren-Mikrokapsel. Man erreicht die Niere durch eine "Kombikapsel" aus Acht und Kugel. Die Kapsel besitzt einen offenen Bereich welcher eine Acht produziert und einen geschlossenen Bereich mit Kugelcharakter.
Das soll uns theoretisch zum Thema Niere genügen. Im nächsten Kapitel geht es nun ans Eingemachte : Wie nehme ich stereofon auf?

Die stereofone Aufnahmetechnik

1.) XY-Verfahren

Eines ist klar: Man benötigt mindestens zwei Mikrofone. Aber darüberhinaus stellen sich viele Fragen. Wie weit stellt man die Mikrofone von der Schallquelle weg? Wie weit müssen die Mikrofone voneinander entfernt werden? Müssen die Mikrofone angewinkelt werden? und vieles mehr. Nun haben sich in den letzten hundert Jahren viele kluge Köpfe darüber Gedanken gemacht, deshalb kann man heute auf gesicherte Erkenntnisse zurückgreifen. Wir wollen uns mit folgenden Aufnahmeverfahren auseinander setzen : XY-Verfahren, ORTF-Stereo, AB-Verfahren. Wer die drei Aufnahmeverfahren beherrscht, kann damit jede stereofone Aufnahmesituation meistern
Als erstes also das XY-Verfahren. Wie auf nebenstehenden Bild zu sehen ist der Abstand zwischen den Mikrokapseln 0cm! Sie stehen direkt übereinander. Der Winkel sollte zwischen 90 und 120 Grad liegen. Als Kapseln kommen nur Nieren in Frage, da es sonst keinerlei stereofone Information geben würde. Der Winkel zwischen den Kapseln stellt den maximalen Aufnahme-winkel ein. Die XY-Aufnahmetechnik ist gekennzeichnet durch eine besonders gute Lokalisation der Schallquellen in der Mitte, wirkt aber nicht besonders breit.
Die räumliche Abbildung ist schlecht, da jegliche Laufzeitunterschiede fehlen. Das XY-Verfahren zählt somit zu den Intensitäts-Mikrofonie-Verfahren und es kann für erste Versuche empfohlen werden, da es relativ einfach ist. Ein gutes Ergebnis ist fast garantiert, wenn man den passenden Aufnahmewinkel und Entfernung eingestellt hat (siehe später).
2.) ORTF-Verfahren
Das ORTF-Verfahren wurde von Technikern des französischen Rundfunks entwickelt und hat sich zum vielleicht beliebesten stereofonen Aufnahmeverfahren entwickelt. Ausgehend vom XY-Verfahren stellt man die Nierenkapseln in 17 cm Entfernung auf und winkelt sie um 110 Grad ein. Es entsteht ein Aufnahmefeld von etwa +- 50 Grad von der Mittelachse. Um ein Orchester komplett aufzunehmen, muss die ORTF-Anordnung soweit von diesem entfernt aufgestellt werden das alle Instrumente sich inerhalb dieser Aufnahmezone befinden. Ein Öffnungswinkel von 100 Grad ist in der Regel ausreichend, außer man muss aus akustischen Gründen nahe an der Schallquelle sein (Hallradius, siehe unten).

Dann muss man von der "reinen Lehre" des ORTF-Verfahrens weg und Abstand und Winkel selbst einstellen, doch dazu später mehr. Das ORTF-Verfahren ist darüberhinaus sehr unkritisch in der Plazierung und wird von vielen Anwendern als besonders universelle Lösung angesehen. Die Räumlichkeit ist ausgewogen und die Lokalisation der Instrumente gut. Ein naher Verwander des ORTF-Verfahrens ist die Anordnung nach DIN. Dabei beträgt der Abstand der Nierenkapseln 20 cm und der Winkel 90 Grad. Man kommt ebenfalls zu einem Aufnahmewinkel von +- 50 Grad. Welch der beiden Verfahren zu bevorzugen ist, muss man bei jeder Aufnahme durch eine Mikrofon-Probe ermitteln.

3.) Das AB-Verfahren

Das AB-Verfahren stellt das ursprünglichste stereofone Aufnahmeverfahren dar. Man benötigt im Gegensatz zum XY- und ORTF-Verfahren Mikrokapseln mit Kugelcharakteristik. Daraus ist schon zu erkennen, das bei diesem Verfahren der Winkel zwischen den Kapseln eine untergeordnete Rolle spielt. Trotzdem sollten die Kapseln auf das Schallereignis ausgerichtet sein. Man stellt beide Kapseln einfach in einer Entfernung von 40 cm bis zu mehreren Metern zueinander in einer Linie auf. Bewährt hat sich dabei etwa 50 cm Entfernung. Das AB-Verfahren ist die Diva unter den stereofonen Aufnahmeverfahren. Einerseits bekommt man nur durch die Benutzung von Kondensator-Kugelkapseln den natürlichen tieffrequenten Anteil am Spektrum der Musikinstrumente, andererseits kann eine schlechte AB-Aufnahme lächerliche Ergebnisse liefern. Man sollte also wichtige Aufnahmen nicht ausschließlich im AB-Verfahren durchführen, sonst könnte man eine unangenehme Überraschung erleben. Die Lösung stellen die sogenannte Trennkörperstereofonie dar, deren bekannteser Vertreter die "Jecklin-Scheibe" ist. Das ist eine Anordnung von zwei Kugelmikrofonen mit einem gegnseitigen Abstand von 36cm und durch eine Scheibe von 35cm Durchmesser akustisch getrennt. Die Scheibe ist mit schallabsorierenden Material belegt.

Raumakustische Besonderheiten

1.) der Hallradius

Bei Aufnahmen spielt die Raumakustik eine noch größere Rolle als für das unmittelbare Live-Hören. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass stereofone Wiedergabe nur eine Illusion des natürlichen Geschehens sein kann und einige Informationen fehlen wie alles Visuelle und das Ambiente.
In der Nähe eines Instrumentes hört man auch in einem Raum dominierend den direkten Schall und empfindet den Raumeinfluß weniger. Weiter entfernt ist aber der reflektierte Schall und damit der Raumeinfluß stärker.
Das Verhältnis von direkten und reflektierten Schall nennt man die Hallbalance. Dort wo direkter und reflektierter Schall gleich groß ist befindet sich der Hallradius dieser Schallquelle.
Aufnahmen sollten immer innerhalb des Hallradius gemacht werden, da sich das Ergebnis der Aufnahme ansonsten kaum noch verwerten lässt.

Die Größe des Hallradius lässt sich mit folgender Formel annähernd berechnen:

Hallradius = 0,057 * Wurzel(Raumvolumen/Nachhallzeit)

Wobei gilt: Hallradius in Meter, Raumvolumen in Kubikmeter und Nachhallzeit in Sekunden.

2.) Die Williams-Diagramme

Die Williams-Diagramme erfassen den Zusammenhang zwischen Mikrofonabstand, Öffnungswinkel und Aufnahmewinkel bei stereofonen Mikroanordnungen. Damit kann man von der ORTF- oder DIN-Anornung weggehen und eigene Anordnungen kreieren. Deren Soundqualität ist aber nicht sichergestellt und man muss immer in einer Mikrofon-Probe deren Brauchbarkeit in dieser Aufnahmesituation ermitteln. An der waagerechten Achse liest man dabei den Mikroabstand ab, an der senkrechten Achse den Öffnungswinkel und als Parameter der Kurvenschar bekommt man den max. Aufnahmewinkel der Anordnung. Nachfolgend ist das Williams-Diagramm für Nierenkapseln angegeben.

So, das soll es gewesen sein. Mit diesem Wissen kann man sich ans Werk machen und seine erste stereofone Aufnahme in den Kasten bringen. Es sollte sich auf Anhieb ein Erfolg einstellen. Ansonsten gilt wie für alles: "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen".

Literatur:

Stereoplay / Grundlagen der HIFI-Technik Vereinigte Motor-Verlage ohne Jahresangabe, Stuttgart
Stereoplay / Die Welt des Klanges Vereinigte Motor-Verlage 1995, Stuttgart
Norbert Pawera / Mikrofon-Praxis 3.Auflage 1993 Franzis-Verlag GmbH, München
Michael Ebner / Handbuch der PA-Technik Elektor-Verlag 2002, Aachen
Thomas Görne / Mikrofone in Theorie und Praxis Elektor-Verlag, Aachen
Frank Pieper / PA-Handbuch Carstensen-Verlag

 

Reichenberg, 30.09.2002
Jürgen Völker

HiFi-Club
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